Heute morgen stand ich im etwas zu dunklen Bad vor dem halb beschlagenen Spiegel, betrachtete deprimiert meinen erstaunlich unmotiviert schlaff herunterhängenden Bauch, sah mir in die blutunterlaufenen dunkel beringten Augen und sagte zu mir selbst (ich spreche häufig zu mir selbst beim morgendlichen Reinigungsritual, das vermittelt ein gewisses uneinsiedlerisches Gefühl und bereitet meine samtene Stimme bereits im dampfgetränkten Ambiente meines Spas auf die Lasten des Alltags vor): “Jetzt wo du Autor mit Vertrag bist, könntest du ja nochmal die Sache mit dem Kajalstift überdenken, vielleicht sieht das ja doch ganz gut aus.”
Ich stockte kurz, dann wurde mir schlagartig bewusst, dass ich nun Autor mit Vertrag bin. Gestern abend hatte ich mein abschlie?endes Gespräch mit dem Lektor und dem Verleger (Hallo Ulf!) und in den nächsten Tagen kommt der Vertrag. Ich habe sogar schon ein paar Kapitel und sowas wie ein Abstract geschrieben, das der Lektor wohlwollend durchblätterte und dann, nachdem er sich festgelesen hatte, so dass Ulf und ich uns mit den Thais in der Bar beschäftigen konnten, mit einem zufriedenen Grinsen quitierte. Auf einige Kapitel angesprochen wurde mir dann schlagartig bewusst, dass ich vermutlich unter dem Einfluss von Mehkhong die besten Sätze schreibe, mein Wissen optimal vermitteln kann, den roten Faden legen kann.
Nun stand ich vor dem Spiegel (wir sind wieder bei heute morgen) und die Panik setzte ein. Würde meine unbesiegbare Liebe zu konjunktivistisch überstrukturiert veradjektivierten Schachtelsätzen ohne Kommasetzung die Qualität des virginiden Stoffes den zu beschreiben ich nun eingewilligt habe negativ beeinträchtigen oder wäre gerade dies der Anregung geistiger Tätigkeit meiner Leser dienlich? Ist das Thema wirklich bisher so unbeachtet, wie mein Verleger mir wortreich zu vermitteln suchte? Und überhaupt? Was wenn ich ausversehen tun schreiben würde oder nämlich mit h? Ok. Letztere Befürchtung brauche ich vermutlich nicht zu haben. Man hat ja einen Lektor heutzutage.
Und dann: Der Klappentext. Was soll ich denn da nur reinschreiben? In Selbständigkeit gescheiterter Ingenieur, frau- und kinderlos auf Koh Samui lebend mit Faible für das Betanken seines Honda-Mopeds (oder war es Toyota)? Und das Bild? Ich glaube, ich werde mein blaues Passphoto nehmen. Das kommt immer gut an.
Ich fühlte mich jedenfalls ziemlich aufgekratzt und erregt (psychisch) ob der neuen Situation. So etwa muss es jenen Bloggern gehen, die ein Jahr in der Gegend rumbloggen und dann vom Swinger-Club-Bekannten einer Ex-Freundin des Liebhabers ihrer Frau der zufälligerweise bei einem Verlag arbeitet (der Bekannte, nicht der Liebhaber) einen Vertrag über das ultimative Bloggingbuch angeboten zu bekommen und (diesmal wirklich absolut verständlich) über die Installation einer Bloggingsoftware (es gibt noch kein Textpatternbuch), die Bedeutung der Blogroll, wie der Schockwellenreiter (lebt der eigentlich noch?) in einem Neuköllner Hinterzimmer das Internet erfunden hat zu schreiben und warum es nun eigentlich “der blogg” hei?t.
Es ist ein aufregendes Leben.