Frohen Schrittes betrete ich (vorhin) die Filiale einer Optikerei-Kette namens “Beautiful Opticals” auf der Beachstreet in Chaweng. (An dieser Stelle stoppt der Film, ich hänge mit dem Fuss überaus dümmlich grinsend über der Schwelle und aus dem Off ertönt eine Stimme:) Was war geschehen? Ich brauchte eine Brille. Eine neue. Die alte wollte nicht mehr so wie sie sollte, klapperte ihrem Ende entgegen, die Schrauben hielten nicht mehr, das Glas ermattete und auf die Frage nach dem “Wie lange trägst du die Brille denn schon” wusste ich keine Antwort was auf mindestens 4 Jahre hinweist. Abgesehen davon brauchte mein Gesicht schon lange mal ein Upgrade. Was also lag näher als die Schwelle eines Optikers zu übertreten? Hmm? Genau! Nichts.
Hmm. “Beautiful Opticals”. Das heisst mal ganz nonchalant übersetzt “schöne Optischesachen”, oder? Also “opticals” gibts ja nicht, nur “optical” und das wäre dann ein Adjektiv und es würde eher heißen “optisch schön”. Ahh! Ok. Darauf könnten wir uns einigen.
Jedenfalls trat ich über die Schwelle des Ladens und fand den Namen passend. (Der Film läuft ruckelnd wieder an und im Hintergrund leiert Thaipop von “Dan & Beam”.) Drei überaus niedliche Thais (females) reißen sich gegenseitig die Klamotten von den Leibern und beginnen sich zu streiten, wer mich bedienen dürfe. Die meiner Meinung nach optisch schönste gewinnt und nimmt sich meiner an. Ihr Rock ist recht knapp bemessen (in medizinischen Geschäften — Drogerien, Apotheken, Optikern usw. — tragen sie immer recht ich würde mal sagen anregende Kostüme. (Da fällt mir ein, hab ich schon mal vom Krankenhaus in Bangkok erzählt? Da war ich neulich mal in der Laserabteilung, da haben sie so Krankenschwesterkostüme wie in den japanischen Pornofilmen an. Eng. Knackig. Kurz. Und irgendwie auch nur beautifulle opticals dabei. Da fiel es mir ziemlich schwer, nicht zum Fetischisten zu werden.) — manchmal fährt man vor sich hin und wundert sich, warum alle vor einem langsamer werden bis man dann bei einem derartigen Geschäft vorbeikommt und der Stau sich wieder auflöst. Farangs sind verdammt berechenbar.) — Jedenfalls kann ich den Anblick nicht lange genießen denn sie fragt mich ob ich wieder eine derartige Brille haben will und reisst mir das alte Teil vom Gesicht.
Ohne Brille quasi blind erkläre ich ihr (oder der Stelle an der ich sie vermute), dass mich nach einem schwarzrandigem Modelle giert und sie bringt ein paar vorbei. Dazu muss man wissen, dass die Thais recht kleine Köpfe haben und die Brillen alle zu eng sind. Dann meinte sie, sie hätte noch Modelle aus den USA und Europa und entschwindet wieder in den Milchglashintergrund. Als sie wieder kommt hat sie einen Haufen Brillen auf dem Arm auf denen seltsame Markennamen stehen. Gucci. Armani. Und so ein Kram. Viele nette optisch schöne Brillen.
Ich probiere ein paar aus und kann den Kreis der Kandidaten auf glorreiche drei begrenzen, die ich dann unentschieden wie ich bin der Reihe nach ausprobiere. Bis ich dann sie frage, welche ihr denn gefalle. “Wait” sagt sie und schiebt mir die drei Brillengestelle nacheinander aufs Gesicht und betrachtet mich lange prüfend (“Why you dont bring your girlfriend to look for. She can decide!” — “I dont have a girlfriend.” — “Ah. Try this one” …. Pause …. Pause … “Where are you from?” — “Germany, but now I live in Lamai” — “Ah! you live here? Try this one.” — “Yes.” — “You work in Lamai?” — “Yes” — “Why dont you work now?” — “Its my lunchbreak.” — “Ah. This one is not nice, look better in this one…”). Dann entscheidet sie sich für ein Modell von Ray Ban. Muss wohl ein entfernter Bekannter von Ray Charles sein. Titan und schwarzes Plastik. Das wäre das Gestell gewesen, für das ich mich auch so entschieden hätte, aber es wäre auch das teuerste. Deshalb hegte ich kurz die nicht geringe Hoffnung, sie würde sich für ein anderes Modell entscheiden, auf dass ich mich selbst überstimmen könne — schließlich müsse die Welt und nicht ich mich sehen mit diesem Krakel auf der Nase.
Gut. Ich entscheide mich spontan und unbeeinflusst für das 6.400 teure Gestell (das sind drei Dolby-Surround-Anlagen und 8 DVDs in Thailizenz oder drei Nächte mit verschiedenen Frauen oder vier Nächte mit der gleichen oder zwei Wochenenden in Bangkok — also schon ein kleiner Batzen Geld) und erwarte nun gefasst die Verhandlungen über die Gläser.
Meine (alte) Brille ist irgendwo verschwunden und so tappe ich in Milch getaucht zwischen kichernden Brillen-Thais herum bis mich eine am Arm fasst, entschlossenen Schrittes in ein Separee schreitet (mich immer noch am Arm haltend), den Vorhang schließt und mich in einen gemütlich flauschigen Sessel absetzt. Hier sehe ich auch meine Brille wieder, die gerade von einer optisch schönen Thai mit entschieden zu kurzem Rock ausgemessen wird. Dann machen wir das Ding mit wo man in eine Röhre kuckt und irgendwas im Hintergrund rattert und flackert und wird scharf und wieder nicht. Als “scharfes Objekt” wählt sie eine Windmühle. Sehr progressiv für einen Optiker auf der sündigen Meile.
Anschließend spielen wir das Spiel mit dem “can you read the first line?”. Ich kann nicht. Versteht mich nicht falsch, aber die Zeichen sind gross und trotzdem seh ich nur Flecken. Na toll. Wir schieben also einige Gläser ein und aus und rum und her, zwischendurch bemerkt sie noch bewundernd, ich hätte einen interessanten starken Zylinder. Ehm. Ich grinse verständnislos aber erfreut ob dieser Bewunderung zurück und sie zeigt mir die Auswertung der Brillenprüfung. Achso. Den Zylinder. Klar. Kann mich auch nicht entsinnen, ihr andere meiner reichhaltig vorhandenen Zylinder schon mal gezeigt zu haben. Allerdings passierte es schon mir bekannten Personen auf der Beachstreet in Chaweng einige Stunden zu verlieren und sich hinterher nicht zu entsinnen wem man alles seine Zylinder gezeigt hat. Hat man alles schon gesehen. Gabs alles schon. Nach einer Weile stellen wir fest, dass sich meine Augenleistung nicht verschlechtert hat (ah, klar, das ist der Gipfel. Jetzt gehts abwärts. Ich werde alt.) und ich bekomme meine (alte) Brille wieder. Schnell setze ich sie auf, man will ja das Sehvergnügen maximieren.
Die optische Gewinnerin des anfänglichen Kampfes kommt zurück und erklärt mir, dass bei einem so guten Gestell natürlich auch nur die besten Gläser rein müssen. Wir verhandeln kurz und dann einigen wir uns auf entspiegelte (“good for you when you on photo with girlfriend you! do you have girlfriend?”) superdünne (“not so heavy. look good in this glasses with you!”) Plastikgläser (“plastic is good for you!”). Sie rechnet vom Gestell schnell noch 30%-Rabatt ab, was mathematisch korrekt aus 6.400 4.000 macht, die Gläser kosten 4.500 (nicht vergessen, ich habe einen verdammt massiven Zylinder).
Dann meint sie, die Gläser brauchen 5 Tage. Sie nimmt einen Kalender und berechnet flix den nächsten Dienstag als Termin und sagt ihn mir. Ich sag ok. Daraufhin kommt eine optisch nicht so schöne Thai (wir müssen hier wirklich Unterschiede zwischen den Protagonisten setzen) und sie verhandeln auf Thai, dass das Wochenende nicht eingerechnet werden müsse (Ich habs verstanden! Hey!) was ihr ziemlich peinlich zu sein scheint, denn sie sagt es mir nicht. Ich erkläre ihr daraufhin, dass sie mich auch anrufen könne und drücke ihr meine Karte in die Hand. Mit der Thaiseite oben. STRIKE! “I can really call you?” — “Of course. You can call me day and night, thats my mobilenumber.” Und sie errötet. Ich stehe auf errötende Thais.
Sie kassiert ein paar Tausender von mir, schreibt mir auf, wieviel ich das nächste Mal wieder kommend mitbringen soll und geleitet mich entrötend zur Ladentür. Wir hauchen uns ein “Have a nice day. Good bye!” zu und ich überschreite frohgemut die Schwelle von “Beautyful Opticals” in die von der Sonne erleuchtete Chawengener Beachstreet hinaus.
(An dieser Stelle stoppt der Film, ich hänge mit dem Fuss überaus dümmlich grinsend über der Schwelle und aus dem Off ertönt eine Stimme:) Na? Klasse oder? So könnte das doch jeden Tag gehen. Und wenn das Teil fertig ist, lass ich mir Kontaktlinsen machen und kaufe dann jeden Monat eine neue Brille mit Fensterglas. Und dann, und dann, und dann “ziehe” ich meine Brillen “an”. So wie es mein alter verehrter Deutschlehrer immer gemacht hat. Passend zur Krawatte.
Das Bild fadet ins Schwarze, der Film läuft aus und rattert mit leisem Klatschen in der Rolle herum. Im Hintergrund atmen einige Leser leise auf.)