Samui? Samui!David's Neighbour's Notizen über sein Leben als Auswanderer auf der Insel Koh Samui in Thailand. Auf Deutsch, und so...

Der Tag des schwarzen Hundes

Es gibt diese Tage, da merkt man schon beim Aufwachen, dass sie als schwarze Tage in die Jahresabschlusswertung eingehen werden.

Der Samstag war so ein Tag. Er begann damit, dass meine Augen beim Aufwachen nur zu 50% öffnen konnte, eines war einfach so zugeschwollen. Einfach so ist nicht ganz richtig, ich hatte schon seit 2 Tagen das Gefühl, dass da eine Erkältung an die Türen klopft, nun war sie also da.

Das war aber nicht das einzige Zeichen drohenden Ungemachs: Gleich nach dem Duschen zerriss beim Anlegen mein oranges “Long live the king”-Armband. Seit Anfang letzten Jahres trug ich das durchgehend. Eigentlich sollte das Rei?en ein Grund zur Freude sein, denn damit wäre Thaksins Behauptung, er kann das Band nicht mehr tragen, weil es “durch häufige Benutzung gerissen” sei (wenige Wochen vor seinem folgenschweren UN-Besuch) nun ziemlich definitiv widerlegt. Andererseits fühlt sich der Arm nun relativ nackt an, und die einzigen Gummiarmbandalternativen sind derzeit schwarzgoldene (Promotion für den hoch gehandelten “King Naresuan”-Movie) oder pinke (für die Tierheilsarmee).

Als dann Soosie noch begann, mein kleines Gipsbuddhaamulett anzuknabbern — ziemlich erfolgreich -, war es sowieso zu spät.

Das Ungemach begann dann am Nachmittag. Bis dahin konnte ich kraft Fiebers und Müdigkeit Hunde und Laune im Bett halten. Irgendwann aber müssen sie nun einmal raus und so öffneten sich die Tore des Schutzwalles und die Hunde strömten nach draussen.

Draussen angekommen wurde nach langem Beschnüffeln Unverändertheit festgestellt und wir lie?en uns auf der Veranda nieder.

Plötzlich kam eine Thaifrau vorbei spaziert. Soosie tat das, was sie immer tut: hin rennen und Hallo sagen ohne auf meine Manii-Rufe zu achten. Dummerweise war die Thaifrau eher furchtsam und zog sich kreischend zurück. Ich rief noch, dass Soosie nicht bei?e, was sie nicht sehr beruhigte, und machte mich auf den Weg, um Soosie weg zu fangen. Pokki nahm das zum Anlass, auch hin zu rennen, was sie noch mehr panisch machte.

Sie begann schreiend eine Palme hoch zu klettern. Die Frau. Nicht Soosie.

Pokki und Soosie standen um die Palme herum und beobachteten sie fasziniert bei ihrem Treiben. Ich war bis auf 2 Meter heran, als vom Nachbarhof der schwarze Hund angeschossen kam.

Der gro?e schwarze Hund ist eine kranke verrückte Töle, die den ganzen Tag entweder bellt oder jault, aber normalerweise an der Leine hängt. Schafft sie (die Töle) es mal, sich los zu rei?en oder loszubei?en, dann rennt sie in der Gegend rum und fällt alle Hunde an, die ihr in den Weg kommen. In der Regel kommt dann innerhalb von Sekunden der gro?e braune Hund an (ja, genau dieser) und nach einer Weile bekämpfen sich dann runde 10 Hunde auf dem Sandplatz.

Der gro?e braune Hund war aber nicht mehr gesehen worden, seit ich wieder auf der Insel bin. Der Hausherr meint: “He gone away. With the lady. For Sek.” — Man möge das nach Bedarf interpretieren.

Der gro?e schwarze Hund sprang galant über mein hastig ausgestrecktes Bein, schnappte sich Soosie, die wie ein überraschtes Kaninchen nur quiecken konnte und rannte von dannen. Ich sah in Gedanken Soosie schon das letzte Mal lebend und hinterher. Ein paar Mal konnte ich das Vieh (schwarz) treten, aber er rannte immer weiter und au?erhalb meiner Reichweite herum, Soosie fest im Biss, die immernoch zappelte und quieckte. Soweit, so gut — gut im Sinne von “Was quieckt kann nicht tot sein”.

Pokki rannte im Abstand von drei Metern hinter mir her und kläffte alle Beteiligten an. Ich nahm mir einen Felsbrocken und warf ihm dem Hund auf den Rücken, was ihm ein geringschätziges Schnauffen entlockte, aber hinsichtlich der Kieferstellung nichts bewirkte.

Inzwischen hatten wir schon einige Zuschauer angezogen und mein Hausherr kam gerannt. Er hatte die ganze Szenerie von der Hausbaustelle ein paar Meter weit weg mitbekommen und brachte Verstärkung in Form einiger muskulöser Bauburschen und dicker Bauholzbretter mit. Das erste Brett zersplitterte gleich beim ersten Aufprall, nach einigen weiteren Schlägen fiel Soosie dann zu Boden, rappelte sich auf und schlängelte sich wimmern langsam am Boden entlang in Richtung Haus.

Der Hund rannte fort, dummerweise stand ihm nun Pokki im Weg. Ich hätte ihm nach unseren bisherigen Erfahrungen mit bösen Hunden ein bisschen mehr strategischen Sinn zugetraut. Jedenfalls schnappte ihn der Köter sich, schleuderte ihn herum und nach ein paar weiteren Sekunden wimmerte auch Pokki sich dem Haus entgegen.

Der schwarze Hund verschwand, verfolgt von der Armee des Hausherren, der noch ein paar Bretter auf seinem Rücken zerschlug.

Am Haus angekommen sa? Soosie in der einen dunklen Ecke des Hauses und Pokki kauerte in der anderen. Beide jaulten jämmerlich auf, als sie mich sahen. Dabei hatte ich versucht, den Stein so unauffällig wie nur möglich zu werfen.

Pokki bekam ich zuerst in die Hände, nach genauerer Untersuchung fand ich glücklicherweise keine Wunde. Er wurde ja auch “nur” in der Gegend rumgeschleudert und hatte diesbezüglich bereits Vorerfahrungen. Au?er einem angeknacksten Selbstbewusstsein also erstmal keine bleibenden Verletzungen.

Soosie zu untersuchen war schon etwas schwerer, weil sie die ganze Zeit jaulte. Eine Fahrt ins Tierkrankenhaus war also vorprogrammiert. Gefunden habe ich ein gro?es rundes Loch in der Haut, durch das ziemlich viel Blut gelaufen kam. Ich versuchte dann, ihr das Geschirr und die Leine anzulegen, was ziemlich kompliziert war, weil ich vor mich hin zitterte. In meiner Autobiographie werde ich eines Tages schreiben, dass ich fiebrig war und Schüttelfrost hatte. In Wahrheit aber war ich so wütend, dass ich einige Zeit keinen klaren Gedanken fassen konnte. Die Hausherrin legte das Geschirr und die Leine dann an und stand noch ziemlich betreten in der Gegend rum, bis es mir gelang mit Soosie auf dem Moped gen Animal Hospital zu fahren. Pokki war zum ersten Mal seit langem zufrieden, im Haus eingeschlossen zu werden. Auf dem Moped zitterte ich dann weiter vor mich hin. Diesmal aber war es ein Fieberschub. Sehr angenehm.

Im Krankenhaus angekommen sa?en jede Menge Hundebabies in der Warteschlange. Februar scheint ein recht reproduktiver Monat zu sein. Soosie hatte sich seit der Abfahrt vom Haus nicht mehr bewegt und klemmte wie ein Muff auf meinem Arm. Auf dem Operationstisch hatten wir einige Mühe, sie herunter zu klauben.

Dummerweise war nur die Assistentin des Tierarztes da. Eine Zeit lang nahm ich an, dass beide eine gleiche Ausbildung genossen haben. Eines Tages aber, als Pokki seinen vom braunen Hund gebrochenen Kiefer behandeln lassen musste, war nur sie da und reagierte ganz panisch als ich die Zahnspange nachrichten lassen wollte. Wir mussten dann eine Stunde auf den “echten” Doktor warten, der das Ganze in 5 Minuten erledigte. Spritzen setzen darf sie aber schon.

Sie untersuchte Soosie auf Wunden und fand ein weiteres kleineres Bissloch unterhalb des Beines. Soosie wurde rasiert (glücklicherweise oder leider nur an den Wunden) und sie begann, mit metallischen Gegenständen in der Wunde herum zu stochern. Mir war dabei nicht sehr wohl. Jedenfalls stellte sie fest, dass da wohl noch einige innere Verletzungen seien. Ich wurde raus geschickt und durfte draussen auf Soosie warten.

Die Zeit zog sich hin und nach gut drei?ig Minuten standen jede Menge Hunde und eine schwangere Katze in der Warteschlange und bebellten sich gegenseitig. Mir war bei der Dauer auch nicht sehr wohl zumute.

Glücklicherweise bekam ich dann die kleine Soosie halbwegs geflickt zurück. Sie haben nur die bereits gefundenen zwei Bisse behandeln müssen. Eine davon wurde genäht, die andere muss offen bleiben, um die Luft aus dem Körper entweichen zu lassen, weil durch das Hin- und Herschleudern wohl ein Gro?teil der Haut vom Fleisch gerissen wurde. Klingt schlimmer als es ist, sagte man mir, versorgte mich mit verschiedenen sü?en Heilflüssigkeiten, die ich Soosie in den nächsten Tagen verabreichen darf und dem Hinweis, dass sie drei verschiedene Spritzen verpasst bekommen hat und vermutlich in den nächsten Stunden viel schlafen würde.

Zu Hause angekommen verzog Soosie sich in der Hundewohlfühlecke, in der schon Pokki sa?. Beide waren noch reichlich verstört, das legte sich aber nach ein paar Stunden wieder. Bis zum Abend verhielten sie sich dann wieder wie die normalen kleinen Bälger, die sie sind. Nur wenn jemand am Haus vorbei kam, beäugten sie ihn kritisch, anstatt gleich los zu laufen. Mir solls recht sein.

Dass Soosie was aus der ganzen Geschichte gelernt hat, zeigte sich schon beim allabendlichen Kampf der beiden. Normalerweise verbei?t sie sich in Pokkis Ohrbehaarung und lässt sich mit schleifen, nun verbiss sie sich in Pokkis Nacken. Cleveres Mädchen.

Heute nun braucht Soosie eine kleine Weile, bis sie die Treppen hochgedackelt kommt. Auch Pokki bewegt sich etwas bedächtiger von der Stelle. Wenn der gro?e schwarze Hund beim Nachbarn bellt (er hat inzwischen vom Hausherren eine neue dicke lange Eisenkette verpasst bekommen, sehr gegen den Willen der Nachbarn, aber die können nicht viel machen, er ist nun mal der Landlord in der Gegend), zuckt Soosies Auge wie das des kleinen Eishörnchen aus “Ice Age” wenn der Eisberg im Hintergrund knackt. Das ist allerdings nur lustig, wenn man die ganze Vorgeschichte au?er Acht lässt.

Soosie hat ziemlich starke Schmerzen, wenn man sie nur leicht an der Seite berührt. Auch der Bauch wird so langsam blau. Sieht ganz nach einem weiteren Tierarzbesuch aus. Pokki leckt Soosies Wunden, nachdem ich sie mit Betadine (Thailands Iod-Lösung) abgerieben habe und bewacht das Haus akribisch. Die Hausherren kommen die ganze Zeit vorbei und bringen Leckereien für die Hunde mit.

Ich habe immer noch Fieber und habe die letzten drei Tage im Bett verbracht. Wenn ich nicht grade mit den Hunden draussen war. Gassi gehen. Oder ins Krankenhaus.

Buddhaamulette, Gummiringe und geschwollene Augen können nicht lügen. Glaubt mir.