In Bangkok wurde nach den Ausschreitungen heute Nacht der Ausnahmezustand verhängt .
Damit sind Menschenansammlungen von mehr als 5 Personen verboten. Die Behörden dürfen ohne Rechtsgrundlagen Personen bis zu sieben Tagen festhalten sowie den Zutritt zu Plätzen verweigern oder Plätze räumen lassen. 436 Schulen in der Hauptstadt bleiben für die nächsten drei Tage geschlossen. Zur Arbeit gehen dürfen die Menschen jedoch noch.
Man sagt, Thailands Premierminister Samak Sundaravej hätte im Mai 1992 den Befehl gegeben, Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden (Black May 1992 bei Wikipedia , interessanterweise wurden die Demonstranten auch damals schon von Chamlong Srimuang, einem der Köfe der PAD heute, geführt), weshalb er diesmal einerseits weniger voreilig gehandelt hat, andererseits ihm auch vom Militär weniger Unterstützung zuteil wurde. Mit den Gewalttätigkeiten heute Nacht (ein Toter und mehrere Verletzte) hat die PAD Samak das perfekte Alibi geliefert, um die Armee zum Einschreiten zu zwingen. Vergangene Woche noch hat sich General Anupong geweigert, mit militärischen Mitteln einzugreifen.
Seit dem Beginn vergangener Woche zeigte die PAD (Peoples Alliance for Democracy), wie sie Demokratrie gegen die Regierung der PPP (Peoples Power Party) durchsetzen will. Erst durch einen ?berfall auf das Staatsfernsehen, danach durch die bislang andauernde Belagerung des Regierungsviertels in Bangkok. Seit Ende der Woche streiken die Zugfahrer, wichtige Verkehrswege wurden blockiert, Flughäfen besetzt. Sie drohen die Wasser- und Energieversorgung abzuschneiden. Bei jedem Stromausfall gestern durfte ich mir Sprüche a la “Sind das jetzt die Demonstranten oder ist das ein normaler Stromausfall” anhören.
Mit diesem etwas diletantisch ausgeführten Generalstreik haben die Demonstranten erstmalig die Touristen, Haupteinnahmequelle des Landes, in die Konflikte hinein gezogen. Sehr clever und meiner Meinung nach schon lange nötig gewesen. Die Luxusressorts auf der Insel käpfen mit Besucherrückgängen und kurzfristigen Absagen.
Die PAD hat durchaus eine Agenda:
- Samaks Regierung, die sie als Thaksins verlängerten Arm sehen, soll zurück treten
- Thaksin soll zurück nach Thailand geholt werden und sich seinen Anklagen stellen
Ich bin der Meinung, letzteres hätte man auch mit normalen rechtlichen Mitteln erreicht. In den vergangenen Wochen sprach man schon von einem Putsch der Judikative, weil überaus viele Politiker verurteilt und Parteien verboten wurden. Samaks Regierung hingegen erhielt (mehr oder weniger) demokratisch die Stimmen der Mehrheit der Wählenden.
Die Berichterstattung in Thailand über die Vorkommnisse ist generell polarisierend. Die Fernsehkanäle sind entweder pro-PAD or pro-PPP. Die Rhetorik der PAD-Führer hat eine mitreissende Wirkung auf die Unterschichten. Die Berichterstattung ausserhalb Thailands macht mehr oder weniger den Eindruck schnell zusammen geschriebener “ach dort brennts ja auch noch”-Beiträge.
Es gibt da bspw. den Tränengaszwischenfall. Je nach Berichterstattung haben entweder Ruhestörer unter den Demonstranten oder die Polizei auf friedfertige Demonstranten Tränengas gefeuert. Interessant hier ist, dass die friedfertigen Demonstranten versuchten, relativ unfriedlich Eintritt auf ein Polizeirevier zu erhalten, in dem sie Polizisten vermuteten, die noch Stunden vorher im Regierungsviertel versuchten, Demonstranten zu vertreiben (zu dem Zeitpunkt gab es einen Gerichtsbeschluss, der die Demonstranten vom Regierungsviertel ausweisen lies). Interessant auch ist, dass im Polizeiinventar keine Tränengaspatronen fehlten und die abgefeuerten Patronen aus Schwarzmarktquellen stammen. Interessant ist weiterhin, dass es keine auswertbaren Bilder oder Videos der ansonsten gut durchorgansierten Demonstranten gibt, auf denen man erkennen kann, von wo die Patrone geworfen wurde (es gibt “Analysen”, die zeigen, wie ein Demonstrant etwas wirft). Aber Polizeigewalt gegen Demonstranten — das zieht immer.
Die Bilder von heute Nacht hingegen sprechen eine eindeutige Sprache. Armee oder Polizei waren darauf nicht zu sehen.
Wie auch immer: Nach Gut oder Böse lassen sich die beiden Seiten schon lange nicht mehr einteilen. Und der König bleibt verdächtig stumm.