Ich hatte ja bereits erwähnt, dass mein 5-Tages-Plan verschiedene Aktivitäten vorsah. Unter anderem musste ich mal meine sozialen Kontakte ein bisschen mit der hiesigen Bevölkerung zu mergieren. Ich entschied mich also, mir eine Stammkneipe zuzulegen. So eine Stammkneipe zu finden ist keine leichte Aufgabe. Die ?lteren unter meinen Lesern werden sich sicherlich noch an die guten alten Kurzschnitt-Zeiten erinnern, als ich im Herbst 2000 in Lübeck auf der Suche nach einer ebensolchen (Stammkneipe) war und in einer Schwulenbar gelandet bin. Was also muss sie (die Stammkneipe) haben? Gute Musik, manchmal auch live, Bier, einen ex-Rastafari als Barkeeper (möglichst ohne Kuhflecken-Flausch-Lederhose) und jede Menge Stammgäste internationalen Flairs.
Glücklicherweise feierten wir am vorvergangenen Wochenende die Geburtstagsparty von James (Marketingmensch von 5phase auf dem Bürogang gegenüber) in einem Schuppen namens Springer-Pub in Chaweng. Sie hatten Chang-Beer, jede Menge skuriler Farangs und netter Thais sowie zu fortgeschrittener Stunde eine Liveband namens Siam, die überaus virtuos verschiedene Stücke aus der Rockgeschichte des vergangenen Jahrhunderts vortrugen. Der Pub selber befindet sich in einer aus Baumstämmen (ich entwickle in letzter Zeit eine gewisse Vorliebe für Baumstümme) zusammengezimmerten überaus gro?en Scheune mit allerlei Rocker- und Bikezubehör.
Beste Voraussetzungen also um mein Gefallen anzuregen und so entschied ich mich dem Springer-Pub eine Chance zu geben und lenkte am Freitagabend mein kleines rotes Moped gen Chaweng. Angesagt war eine Band namens ‘Boyd’ die Blues spielen sollte. Die Band bestand aus einem einzelnen Thai mit Gitarre, der wirklich gut vor sich hingeblueschrammelt hat. Ich war der einzige Gast und wurde entsprechend zuvorkommend behandelt und durfte Fragen über Fragen beantworten. Nach einer Stunde rief Yai (die Frau hinter der Theke) laut ‘Ah I know you from last Saturday! Yusset! Yusset on the couch!’ und wir unterhielten uns fortan prächtig. Ra (der Mann hinter der Theke) wollte mich dann an den Billiard-Tisch holen, was ich aber ablehnen musste (ich spiele so schlecht, dass man sich fragt, ob ich jemals Physik besucht habe). Wir sahen also fern, tranken Bier, quatschten vor uns hin und liesen Boyd Gitarre spielen. Nach einer Weile gingen ihm die englischen Bluessongs aus, also begann er, thailändische Volkslieder bluesig zu interpretieren, was alle im Pub zu lauthalsem Mitsingen animierte. Ra setzte sich dann hinter die Percussion und es wurde kräftig thaigejammt. Gegen 24 Uhr dachte ich mir dann, es waere nicht dumm, mal gen Hütte zu fahren, die haben eh nur wegen mir noch auf :) Als ich sagte, dass ich gehen will, musste ich erst noch einen Kaffee trinken, dann einen seltsamen Tee mit Zitronenbestandteilen, weil ich immernoch hustete und durfte erst dann unter der Zusage am nächsten Tag wiederzukommen und auch wirklich vorsichtig zu fahren (‘be drive careful!’) nach Hause. Nicht dass der Eindruck entstünde, ich hätte zuviel getrunken, es waren nur zwei Bier, aber irgendwie konnten die Leute nicht fassen, dass jemand aus Lamai nach Chaweng in den Pub geht. Aber das ist fast eine ganz andere Geschichte.
Das war ja schon ein guter Anfang.
Am nächsten Tag, dem Samstag, spielte die Siam-Band wieder. Das war die Band vom Samstag zuvor. Die Kneipe war nicht nur gefüllt mit Thais und Farangs, sie waren alle auch noch sehr gesprächig. So kam bspw. Stephen, einer der Stammgäste (Yai: ‘He is a little bit crazy’), bereits leicht vom Geiste erfüllt zu jedem und erklärte ihm/ihr schreiend mit übereifrigen Spritzern wilder Spucke selbst bei Silben, die weder ein F noch ein S noch ein P beinhalteten, dass er Geburtstag habe (‘Jah noh wott!!! I haaave birthday. Reeeelie! Today!’), tanzte im Laufe des Abends auf verschiedenen Tischen und anderen Einrichtungsgegenständen und trank kräftig weiter. Oder der Chef, ein eher spie?ig erscheinender Farang, der im Laufe des Abends eine Flasche Rotwein der Endverwertung zuführte. Ich führte jede Menge Gespräche, unter anderem mit den Mitgliedern der Band, seltsamen Thaifrauen (ich nahm an, sie wollten Kunden aufsammeln), Yai und Ra. Da gibt es genug Stoff zum Erzählen.
Ich muss gestehen, dass ich mich prächtig unterhalten habe.
Fazit: Stammkneipe gefunden. Mehr will ich jetzt gar nicht erzählen. Montags spielt eine Farangband, die sich selbst als Thailands beste Rockband bezeichnet, Mittwochs und Samstags die Siam-Band, Freitags gibt es Special-Guests und an den anderen Tagen ausser Sonntag gibt es thailändische Volksmusik (wenn ich das richtig verstanden habe). Ich kann also jederzeit mal vorbeischauen. Und ich glaube, dass mein Thai an diesem Wochenende einen Sprung gemacht hat, den es seit Monaten bei Neung nicht machen konnte. Ist halt doch besser, wenn man es auch mal anwendet.
PS: Warum ich mir in Lamai keine Stammkneipe suche? Nun, entweder gibts dort keine gute Musik oder man hat alle H??nde voll zu tun Verehrerinnen und Verehrer die sich als Verehrerinnen ausgeben abzuwimmeln. ‘Hello sweet man, what do you wanna do tonight?’ Neulich wurde ich das sogar schon auf dem Tesko-Parkplatz von einer 4er-Gruppe Frauen gefragt. Wird Zeit, dass hier wieder Hochsaison ist.
PPS: Schnute meinte, dass ich ein recht langweiliges Leben hier hätte, wenn ich immer im Pub rumhängen würde. Nun. Das sehe ich nicht ganz so. Ich treffe nette Leute, lerne eine Menge Thai (mehr als mit unserem Sprachlehrer) und kann Filme ankucken, die anderswo noch nicht mal angelaufen sind. Die Livemusik stimmt und ich brauche nie wieder Bier im eigenen Kühlschrank abzulegen. Will ich eins trinken, geh ich in meine Stammkneipe. Keine dummen Sprüche. Keine dummen Menschen. Ist schon in Ordnung. Ein bisschen Schade ist nur, dass sie in Chaweng liegt und meine Hütte in Lamai. Das verhindert ein gepflegtes Besäufnis, es sei denn, ich finde jemanden, der mich heimfährt. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Bla bla. Fasel fasel. Die freien Tage haben sich gelohnt.