Das mit dem Schlafen hat nicht funktioniert, also habe ich mich kurzentschlossen auf eine Rundreise durch den nordöstlichen Teil Samuis gemacht (Bophut, Bang Rak, Airport, Chaweng und über Bophut zurück) und ein paar Leute befragt, die mir über den Weg liefen. Anschließend musste ich noch Soosie duschen, weil sie ihre fäkale Phase aktiv ausüben und ihre Nase in die Häufen anderer Hunde stecken musste. Buchstäblich. Nun aber wieder zum Tagesthema.
Stellen Sie sich vor, man putscht. In Thailand. Die Armee übernimmt die Macht und ruft einen Feiertag aus, um die öffentliche Ordnung zu erhalten und Unruhen zu vermeiden. Ich setze mich gelassen und totesmutig auf der kleinen Insel Samui im Golf von Thailand auf mein Moped und beginne, den Putsch zu suchen.
Dem ungeübten Auge könnte entgehen, dass wir putschen (ich nutze hier das kollegiale wir mal aus rein rhetorischen Gründen). Wenn man aber eine Weile auf der Insel gelebt und den Rhythmus und die Leute kennen gelernt hat, dann sieht man sehr wohl den Putsch in den vielen kleinen Details die das Bild und den Tag von anderen unterscheiden.
Was mir zuerst auffällt ist der starke Verkehr. Ganz Samui scheint auf den Beinen zu sein — der thailändische Teil. Ein verkehrstechnisch gesehen gefühlter später Sonntagnachmittag. Trotzdem vermisse ich die Touristenscharen. Die Straßenränder an den Ressorts stehen voller Mopeds. Ein paar Minibusse fahren herum.
Viele Thais tragen ihre gelben Hemden. Normalerweise werden diese nur noch Montags getragen, dem Geburts-Tag seiner Majestät König Bhumibol Adulyadej. Ich vermute, dass sie damit ihrer Unterstützung für die Putschisten Ausdruck verleihen wollen. Die Banken sind geschlossen. Die Bank von Ayudhya hat in die Fenster ihrer Filialen große Schilder mit dem Symbol des 60. Thronjubiläums gestellt. Andere Banken haben Zettel mit dem Symbol an die Türe geklebt. Eine ungesprochene Absprache hat über Nacht eben dieses Zeichen zum Symbol des Putsches gemacht. Vermutlich weil die ganze Nacht die Propagandavideos zum Jubiläum liefen.
In Bang Rak bemerke ich die ersten Anzeichen einer sinkenden Konjunktur: eine Ladybar-Lady will mir einen großen orangenen Luftballon andrehen. Normalerweise ignorieren sie mich hier aus Altersgründen. Ich lehne dankend ab (orange mag ich nicht). Die meisten Bars sind untypisch leer in Bang Rak, dem Vergnügungszentrum für die senileren unter den Sextouristen.
Ich fahre weiter. Am Airport ist gerade ein Flieger aus Bangkok angekommen und die Touristen sehen ein wenig angespannt aus. Allerdings glaube ich mich erinnern zu können, dass ich auch angespannt ausgesehen haben muss als ich auf die Insel kam. Es ist heftiger Verkehr. Ich frage einen Trillerpfeifen-Wächter an der Ausfahrt ob denn heute irgendetwas anders sei als sonst, verlassende Touristen, weniger Ankommende? Mai tschai ruft er. Same same every day.
Ich fahre weiter, nehme die Abkürzung nach Chaweng. Hier ist es verhältnismässig ruhig. Wenige Tourisen auf den Straßen, die meisten davon Koreaner (wo kriegen diese süßen Frauen nur immer diese extrem häßlichen Männer her?) und europäische Tweens/Thirtees. Nach einer Weile registriere ich, was anders ist: Die Touristen sind alle korrekt gekleidet. Keine freien Oberkörper. Keine Tangabikinis. Es scheinen sich nur die Touristen herauszutrauen, die sich vor ihrer Reise mit der Kultur und der aktuellen Situation Thailands beschäftigt haben. Die Ballermann- und Strandtouristen glauben den Warnungen der Auslandsämter. Ein Plus für den Putsch. Ein Minus für die Gewerbe auf der Insel.
Der Preis für das VIP-Ticket nach Bangkok ist auf 350 Baht (um die 7 Euro) gesunken. Gestern Morgen war er bei 641 Baht.
In den Fernsehern der Bars sehe ich die Sprecherin von heute Nacht weitere Ankündigungen machen und entscheide mich für die Heimfahrt. Vorher muss ich noch an der Tankstelle vorbei (dieser Tank ist immer dann leer, wenn ich weder Geld noch Zeit und Lust zum Tanken habe). Der Tankboy lächelt mich an und fragt “You hear about what army make in Bangkok?” Ich sage “Yes. And what do you think about it?” Er denkt eine kleine Weile nach und sagt dann “Is good. Thaksin not do good for Thailand. Now he gone and everything good.” Er ist höchstens 15 Jahre alt. Erstaunlich gutes Englisch denke ich mir. Die Frau in der Schlange hinter mir fragt mich, ob ich den Coup gut finde. Meine Meinung ist zu ausführlich und kompliziert um es ihr auf die Schnelle zu sagen, also verlasse ich mich auf ein “I think it will be a better future for Thailand.” Sie meint, sie mag den Putsch nicht, weil heute keine Kunden kamen. Aber sie glaube auch, dass es gut für Thailand ist. Und mai pen rai, dass keine Kunden heute kommen. Oder morgen. Bald kommen sie wieder. Das war bisher immer so. Sie arbeitet in einem Massagesalon.
Ich fahre nach Hause. Der Verkehr ist dicht. In Maenam hat es einen Unfall gegeben. Ein Truck ist auf einen kleinen neuen weißen Honda aufgefahren. Der Honda hat noch das rote Nummernschild für Neuwagen. Die Besitzer werden sich ganz sicher lange an diesen Tag erinnern.
Zuhause angekommen finde ich meine Hausbesitzer arbeitend im Garten. Sie sprechen zu schlecht Englisch und ich zu schlecht Thai um über den Putsch zu reden. Wir verabreden uns auf Abends, wenn Fu da ist. Sie lächeln und sind entspannt.
Ein Tag wie jeder andere für die Insel. Und doch ist alles anders. Der Unterschied liegt in den Details. Und darin, dass ich mal wieder die Sonnencreme vergessen habe. Nun bin ich rot und kann keine Miene verziehen ohne dass das Leder knarrt.